Das Dilemma mit der fristlosen Kündigung

Wer einem Arbeitnehmer fristlos kündigen möchte, sollte sich die Formulierung gut überlegen. Für eine fristlose Kündigung muss ein schwerwiegender Grund für die sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses vorliegen, so dass die Einhaltung einer Kündigungsfrist dem Arbeitgeber nicht zuzumuten wäre. Wenn im Streitfall ein Arbeitsgericht entscheidet, dass der Kündigungsgrund zwar für eine ordentliche Kündigung ausgereicht hätte, nicht jedoch für eine Fristlose, dann ist die Kündigung nichtig mit der Folge, dass der Arbeitnehmer während der gesamten Streitphase weiter angestellt war und somit Anspruch auf sein Gehalt hat. Zudem muss die ordentliche Kündigung nun noch nachgeholt werden, so dass auch für die gesamte Kündigungsfrist das Gehalt weitergezahlt werden muss.

Um diese Gefahr zu vermeiden, helfen sich gewitzte Arbeitgeber damit, neben der fristlosen Kündigung auch vorsorglich die ordentliche Kündigung „zum nächstmöglichen Termin“ auszusprechen. Der Gesetzgeber sieht jedoch vor, dass eine Kündigung nichtig ist, wenn nicht klar hervorgeht, zu wann das Arbeitsverhältnis beendet werden soll. Aus einer Kündigungserklärung muss also unmissverständlich der genaue Kündigungstermin erkennbar sein.

Bedeutet dies nun, dass im Falle einer nichtigen fristlosen Kündigung auch die ordentliche Kündigung nicht rechtmäßig ist?

 

Frühe Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts

Das sah zunächst danach aus, denn der fünfte BAG-Senat hatte sich in einer Entscheidung aus 2010 geweigert, eine zu einem falschen, nämlich zu frühen Endtermin ausgesprochene Kündigung in eine Kündigung mit richtigen Endtermin bzw. richtiger Kündigungsfrist umzudeuten. Allerdings spielte dies seinerzeit keine große Rolle, da der Arbeitnehmer versäumte, seine Kündigungsschutzklage innerhalb der dreiwöchigen Frist zu erheben, so dass die Kündigung ohnehin nicht mehr anfechtbar war.

In folgenden Verfahren distanzierten sich andere BAG-Senate jedoch von dieser Entscheidung. Der Sechste BAG-Senat urteilte in 2013 daher, dass eine Kündigung zum „nächstmöglichen Termin“ ausreichend bestimmt ist, wenn der Erklärungsempfänger hierdurch unschwer ermitteln kann, zu welchem Termin das Arbeitsverhältnis beendet werden soll (BAG, Urteil vom 20.06.2013, 6 AZR 805/11).

 

Erstes Machtwort des Arbeitsgerichts

In diesem Verfahren ging es nämlich um genau diese Fallkonstellation: Eine fristlose Kündigung wurde vom Arbeitsgericht Wesel als unwirksam erklärt. Die Kündigung enthielt jedoch noch die Textpassage:

„Für den Fall, dass die außerordentliche Kündigung unwirksam ist, kündige ich hilfsweise vorsorglich das mit Ihnen bestehende Arbeitsverhältnis ordentlich zum nächstmöglichen Termin auf.“

Dies wurde vom Arbeitsgericht als ordentliche Kündigung rechtswirksam anerkannt.

 

Berufungsverfahren

Der Fall ging in Berufung an das LAG Düsseldorf, welches den Fall wiederum anders sah und die ordentliche Kündigung als unwirksam erklärte, da die Formulierung in Bezug auf den Endtermin zu ungenau sei (LAG Düsseldorf, Urteil vom 28.08.2014, 5 Sa 1251/13). Aus der Kündigungserklärung ließe sich weder ein Endtermin noch eine Kündigungsfrist ersehen.

 

BAG kippt die Entscheidung des LAG

Das letzte Wort in diesem Fall hatte dann das BAG in Erfurt. Und dies entschied wieder gegen den Arbeitnehmer. Es leitete sein Urteil mit dem Hinweis ein, dass in einer Kündigung im Allgemeinen eine Kündigungsfrist oder ein Endtermin angegeben oder zumindest einen Verweis auf das Gesetz oder einen Tarifvertrag enthalten sein muss, damit der Arbeitnehmer erkennen kann, zu wann das Arbeitsverhältnis beendet sein soll. Eine Kündigung „zum nächstmöglichen Termin“ ist jedoch möglich, wenn für den Gekündigten leicht erkennbar ist, welche Frist gilt.

Ob der Arbeitnehmer dies nun „leicht erkennen“ konnte, ließ das BAG Erfurt bewusst offen und bestätigte damit indirekt die vom LAG erhobenen Bedenken. Das BAG argumentierte daher auch gänzlich anders. Es unterstellte dem Arbeitnehmer, dass dieser bei einer fristlosen Kündigung unschwer feststellen kann, zu wann der Vertragspartner sich die Kündigung vorstellt, nämlich bestenfalls sofort. Insofern spielt es keine Rolle, ob es dem Gekündigten „leicht fällt“, die tatsächliche Kündigungsfrist einer hilfsweise ordentlich erklärten Kündigung herauszufinden.

Das BAG erläutert in seinem Urteil: „Wird eine ordentliche Kündigung nicht isoliert erklärt, sondern nur hilfsweise für den Fall der Unwirksamkeit einer außerordentlichen fristlosen Kündigung, ist der Kündigungsempfänger nicht im Unklaren darüber, wann das Arbeitsverhältnis nach Vorstellung des Kündigenden enden soll.“ (BAG, Ur­teil vom 20.01.2016, 6 AZR 782/14).

Somit gibt das BAG grünes Licht für eine hilfsweise vorsorglich ausgesprochene ordentliche Kündigung als Absicherung für den Fall, dass der außerordentlichen und fristlosen Kündigung rechtliche Gründe entgegen stehen. Der Arbeitnehmer muss und kann sich in einem solchen Fall auf eine sofortige Beendigung des Arbeitsverhältnisses einstellen, auch ohne feste Termin- oder Fristangabe.